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Henry Tornow

"Koblenz gibt mehr her, als die meisten vermuten."

Profilbild von Henry Tornow. Fotografiert hat ihn Manolito Röhr.
Henry Tornow; Foto: Manolito Röhr

Koblenz, 9:30 Uhr im Altstadt-Café. “Hi!”, höre ich hinter mir und drehe mich um. Da steht er, der Durchstarter aus Koblenz. Einer, der es vom Hobbyisten zum gefragten Fotografen geschafft hat. Dabei hatte alles mit einer simplen Facebookseite angefangen, die ihn nicht zuletzt bis auf die TV-Couch führte. Henry Tornow heißt der junge Mann, der ein wenig verschlafen neben mir steht und sich durch die verwuschelten Haare fährt.

 

 

Nie zuvor hatte ich Tornow ohne Kamera gesehen. Ob privat, bei zufälligen Begegnungen auf dem Festungsplateau oder auf Events – stets hatte er einen Apparat dabei. Heute nicht. Ich bin überrascht, jedoch nicht nur deswegen.

 

Wer bist du und was machst du?

Ich heiße Henry Tornow, bin 23 Jahre jung und Fotograf – leidenschaftlich und hauptberuflich. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich das machen kann, was ich am liebsten tue.

 

Die Koblenzer Fotografie-Szene wächst. Wie findest du das?

Ich finde es auf jeden Fall schön, dass es hier so viele Hobbyfotografen gibt, die sich genauso begeistern für die Sache wie ich. Es gibt unter anderem einen Foto-Stammtisch, zu dem teilweise 20 Leute kommen. Ich unterhalte mich gerne mit Gleichgesinnten über Fotografie. Mit Begeisterten von Jung bis Alt.

 

“Schau mal, ein sattes Bokeh an kalten Farben.”

 

Unterscheiden sich die jungen Fotografen von den älteren?

Ich denke, junge Fotografen gehen die Sache anders an, beispielsweise die Bildbearbeitung. Sie bekommen mehr aktuelle Trends mit. Stile, die von bekannten Fotografen ausprobiert und von anderen übernommen werden. Willst du ein aktuelles Beispiel sehen? Da läuft gerade was auf Instagram. (Henry zeigt mir City-Bilder mit vielen bunten Lichterkreisen im Hintergrund und jeweils einer oder zwei Personen im Vordergrund.) Schau mal, ein sattes Bokeh an kalten Farben. Das sind die Original-Bilder eines bekannten Fotografen und hier jetzt die eines Hobbyfotografen. Man sieht, wessen Bilder er nachahmt, nicht wahr?

 

Tatsächlich! Das erkennt sogar mein ungeschultes Auge, so offensichtlich ist das.

Genau, und das ist ein Beispiel für Online-Trends in der Fotografie. Ein berühmter Fotograf kommt auf die Idee, probiert Dinge aus und andere ahmen es nach oder versuchen es zumindest.

 

Aber strebt man als Fotograf nicht seinen eigenen Wiedererkennungswert an? Oder ist Vielseitigkeit gefragter?

Kommt drauf an. Ich finde es gut, wenn man sein Fachgebiet gefunden hat. Der Wiedererkennungswert ist wichtig. Deshalb trenne ich zwischen Hochzeitsfotografie, Privatem und Schönes Koblenz.

 

Mit Letzterem verdienst du auch Geld.

Ja, aber das nimmt nur wenig Platz im Ganzen ein. Die Hochzeitsfotografie ist das, was ich am liebsten mache.

 

Warum?

Die Emotionen reizen mich. Das, was man an so einem Tag aufnimmt, ist etwas ganz anderes als beispielsweise Portrait-Fotografie. Ich fühle bei den Bildern mehr. Es weckt mehr Emotionen in mir.

 

In dir? Ich dachte, in der Fotografie ginge es darum, Emotionen beim Betrachter zu wecken.  

Ja auch, aber ich mache das eigentlich für mich. Ich empfinde es als schön. Mein Antrieb ist, diese Gefühle einzufangen.

 

Und was, wenn du beim Fotografieren denkst, “Oh Gott, das Brautpaar passt eigentlich gar nicht zusammen”?

Hm, ich habe ein romantisches Bild von Hochzeit und Ehe. Glückliche Paare mit ihrer Familie – das ist wunderschön.

 

“Ich halte mich für unkreativ.”

 

Sieht man als Fotograf mehr als andere?

Ja, man schaut genauer hin, achtet mehr auf seine Umgebung.

 

Auch während wir hier im Café sitzen?

Ich schaue immer, was man fotografieren könnte. Gerade jetzt, da der Weihnachtsmarkt hier ist. Bei längeren Straßen zum Beispiel (Er zeigt aus dem Fenster.) ist die Perspektive auf so einen Weihnachtsmarkt und die Lichterdeko an den Häusern toll.

 

(Koblenz im Zeitraffer - von Henry Tornow.)

Also bist du stets mit dem Fotografenblick unterwegs?

Nicht ganz. Ich kann die Kamera gut weglegen. (lacht) Naja, wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin, muss ich aufpassen, dass ich nicht angefahren werde, weil mir die schönen Motive auffallen.

 

War das schon immer so?

Hm, ich wollte schon immer schöne Momente einfangen. Es ging typischerweise mit dem Sonnenuntergang los, weil das ein total vergänglicher Moment ist. Ich halte mich für unkreativ. (Ich lache.) Nein, wirklich, ich fotografiere immer das, was einfach da ist.

 

Und was unterscheidet dich von anderen Fotografen?

(Henry überlegt kurz.) Vom Bildstil her mache ich einiges anders. Es muss gar nicht um besser oder schlechter gehen.

 

Einige deiner Projekte, wie das Deutsche-Eck-Video hast du zusammen mit anderen kreativen Köpfen gemacht. Bist du ein Teamplayer?

Ja, definitiv! Denn ich kann nicht alles gut. Vieles können andere besser als ich, deshalb ist es toll, wenn man etwas zusammen machen kann. Allerdings verderben manchmal zu viele Köche den Brei. So bin ich beispielsweise froh, Schönes Koblenz alleine zu machen.

 

Was ist Schönes Koblenz für dich – ein Projekt?

Projekt klingt zeitlich befristet, aber das ist es nicht. Schönes Koblenz ist aus Begeisterung für die Stadt entstanden und hat mir unerwartet viel gebracht. Ich schreibe zum Beispiel niemanden an, damit er meine Bilder liked oder mich beauftragt. Die Leute kommen immer von alleine, weil ich mit der Seite und meinen Fotos von der Stadt viele Menschen erreiche. Insofern habe ich Schönes Koblenz viel zu verdanken. Anfangs war den meisten nicht bekannt, wer dahinter steckt, aber inzwischen schreiben mich einige Follower mit “Hallo Henry” an. Das freut mich sehr.

 

Bist du von den Bildern überzeugt, die du dort postest oder wartest du manchmal gespannt die Reaktionen ab?

Die Bilder, die ich poste, gefallen mir immer. Das Feedback ist aber durchaus unterschiedlich, da manche Motive gefragter sind als andere. Zum Beispiel zieht das Deutsche Eck immer – und auch der Blick von der Festung bringt viel Feedback ein.

 

Was ist ein weniger beliebtes Koblenzer Motiv und warum?

Es gibt da so ein Lokal auf dem Asterstein, von dem man einen tollen Blick auf die Pfaffendorfer Brücke hat, aber das stößt nicht auf so große Begeisterung wie die anderen Motive. Vermutlich liegt es daran, dass man darauf Koblenz nicht auf den ersten Blick erkennt.

 

Also sind die Fans von “Schönes Koblenz” hier regional verankert?

Ja, ein großer Teil von ihnen lebt in dieser Region. Bei vielen handelt es sich aber auch um Koblenzer, die weggezogen sind und Heimweh haben. (grinst)

 

Was machst du, wenn du nicht gerade Koblenz oder Frischvermählte ablichtest?

Ich fotografiere auch privat sehr gerne. Das wissen viele gar nicht. Allerdings mache ich das nicht mehr so oft. Vor allem Konzerte und Urlaube. Bands, die ich mag. Es sind kleinere Bands aus Amerika oder England. In Köln finden viele interessante Konzerte statt. (Er zeigt mir ein Foto auf seinem Smartphone.) Das hier ist Frittenbude, kennst du diese Band? Am liebsten fotografiere ich Backstage – bevor die Musiker auf die Bühne gehen oder bei der Probe. Also das Drumherum.

 

Auch das hat mit Emotionen zu tun.

Ja, ich mache auch selbst Musik. Metalcore. Früher war ich Teil einer Band – und in Koblenz mache ich Akustik-Musik. Wir sind als Cross My Heart auch auf YouTube zu finden. Genau wie bei Bildern, weckt auch Musik Emotionen in mir.

 

Und du sagst, dass du nicht kreativ bist!?

Musikalisch eher als fotografisch. Ich denke mir als Fotograf nicht so viel aus, sondern mag eher quasi Reportagen, halte Momente fest.

 

Koblenz ist nicht New York. Die Motive sind begrenzt. Wann wird es, deiner Meinung nach, Zeit, sich nach einem neuen Ort umzusehen?

(lacht) Eine sehr gute Frage! Ich mache das so lange, wie es Spaß macht. Ich kann´s dir nicht sagen. Koblenz gibt unheimlich viel her, mehr als die meisten vermuten. Allein die Südstadt gäbe viele Fotos her – und dort habe ich noch nicht viel fotografiert.

 

Planst du, wo du als nächstes mit Kamera unterwegs sein wirst oder entstehen die Bilder spontan?

Ich mache vieles vom Licht abhängig. Insofern ist es oft auch Planung. Wo könnte ich gut fotografieren und was? Diese Überlegungen mache ich mir.

 

Gibt es Dinge, die dir die Arbeit erschweren?

Nein. Gut, Luftaufnahmen sind immer ein leidiges Thema. Behördentelefonate und so. Aber ansonsten nichts.

 

Dieses Jahr hast du dich selbständig gemacht. War das eine Herausforderung?

Nicht nur in der Hochzeitsfotografie, ja. Ich mache auch Sachen für Firmen, Imagebilder beispielsweise. Es war aber eine Herausforderung, weil es viele Fotografen gibt. Da hat mir Schönes Koblenz einen Platz unter den Fotografen geschaffen und ich konnte mich etablieren.

 

Was inspiriert dich?

Andere Fotografen. Aber ich mache ihnen nichts nach, sondern interpretiere gerne. Bildkompositionen zum Beispiel. Mich interessiert außerdem, wie andere Fotografen mit Brautpaaren umgehen.

 

“Homeoffice ist nichts für mich.”

 

Wie sieht ein typischer Tag von Henry Tornow aus?

Es gibt zwei typische Tage. (lächelt) Ich stehe auf und habe einen großen Auftrag. Bei Hochzeiten ist das etwa ab 11 oder 13 Uhr. Dort gebe ich alles. Wenn ich dann nach Hause komme, bin ich total fertig und falle ins Bett.

 

Und der andere typische Tag?

Das ist der Bildbearbeitungs- und E-Mail-Tag am Schreibtisch.

 

Ich habe gehört, du schaust dich gerade nach Coworking-Räumen um. Gefällt es dir im Home-Office nicht?

Home-Office ist nicht so das Richtige für mich.

 

Weil du dann nicht aufhören kannst?

Doch, das kann ich, aber dann mache ich nebenbei Privates am Rechner. Ein separater Arbeitsplatz hat eine andere Psychologie. Ich möchte zwischen Arbeit und Privatem besser trennen.

 

Und was machst du, wenn du mal nicht fotografierst?

Musik. Und ich bin gerne mit meinem Hund in der Natur.

 

Welches Projekt steht gerade bei dir an?

Der Kalender mit meinen Fotos. Das erste Ding, für das ich Schönes Koblenz benutzt habe. Eine schöne Erfahrung. Zum ersten Mal habe ich ein Produkt, nicht nur die Dienstleistung. Es ist etwas komplett anderes als auf einer Hochzeit zu fotografieren.

 

Gibt es etwas, das du im Sinn hast, aber wofür du noch Mitstreiter suchst?

Auf Anhieb nicht. Aber ich würde gerne wieder ein Projekt mit anderen machen. Die Idee, mit mehreren Fotografen etwas Neues auf die Beine zu stellen ist toll. Allerdings muss die Chemie stimmen. Ich bin kein Freund von Selbstdarstellung. Andere Fotobegeisterte sehen es anders. Also mir geht es um meine Bilder. Es soll weniger um mich gehen. Mit Fotografen, die das auch so sehen, könnte ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen.

 

Wie würdest du dich selbst beschreiben?

Ich bin ein offener, spontaner Mensch. Wenn jemand Fragen an mich hat oder über Fotografie schnacken möchte, kann er mich gerne anschreiben. Willst du mein aktuelles Lieblingsfoto sehen?

 

Klar will ich! (Und hier dürft auch Ihr es sehen.)

 

Auf dem Foto ist der Koblenzer Stadtwald zu sehen. Henry Tornow hat darin ein wundervolles Licht eingefangen, dass auf einen Waldweg fällt.
Koblenzer Stadtwald - von Henry Tornow

War es aufwendig, das Foto so hinzubekommen?

Nein. Ich gehe ohne bestimmte Absicht in den Wald und nehme die Kamera nur mit, um ein Foto machen zu können, falls sich etwas ergibt.

 

Also arbeitest du selten mit Stativ?

Genau. Ich arbeite ungern mit Stativ. Viel lieber trage ich die Kamera einfach bei mir und entscheide spontan.

Weißt du, man hat in Koblenz so viel Schönes zu entdecken! Direkt vor der Haustür.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Henry.

 

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Dieses Interview ist ursprünglich am 19.12.2017 auf dem Blog "NICHTS NEUES im Südwesten" erschienen.